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Fragen und Antworten (Interview 2)

Interview mit der Schriftstellerin Brigitte Schär

Eine Collage von Fragen der 4. - 6. KlässerInnen von Katrin Meier aus dem Schulhaus Hirschengraben in Zürich und von der Journalistin Bettina Kugler für die Kids-Seite des St.Galler Tagblatt.

 

Woher nehmen Sie die Ideen zu Ihren Büchern? Erzählen Sie Geschichten, die Sie erlebt haben oder sind Ihre Geschichten frei erfunden?



Frei erfunden sind auch frei erfundene Geschichten nie ganz. Es ist ein bisschen wie beim Träumen in der Nacht: Die Träume, die jemand träumt, kann nur er genau so träumen, auch wenn die Träume noch so wild und losgelöst von der Person erscheinen. In meinen frei erfundenen Geschichten sind immer auch Erlebnisse von mir drin, Gedanken, Gefühle, Erinnerungen, Stimmungen. Die Geschichten, die ich erfinde, kann nur ich so erfinden. Ich schreibe sie in meinem Stil.



Wie kommen Sie auf die Namen der Personen und die Titel Ihrer Geschichten?



In vielen meiner Bücher haben die Personen gar keine Namen. Die Frau, der Mann, das Kind, das kleine Mädchen, der Zahnstocher, der Pfeifenputzer, schreibe ich. Das ist wie in den Märchen. Das ist viel offener und allgemeingültiger. In meinem letzten Buch „"Die Entführung der Welt“", einem phantastischen Kinderroman (eine Art Fantasy-Roman), trägt meine Heldin zum ersten Mal einen Namen. Lena heißt sie. Sie ist jemand ganz Bestimmtes und braucht darum einen Namen. Sie musste einfach Lena heißen. Sie wollte es so. „"Ich heiße Lena“", sagte sie zu mir, als sie zum ersten Mal auftauchte. 



Wie finden Sie den ersten Satz einer Geschichte?



An einem Schreibtag sitze ich vor meinem Computer und warte. Ich lauere wie eine Katze vor dem Mausloch. Und irgendwann taucht die Maus auf, und ich packe sie. Resp., ich packe die Idee. Ein erster Satz fällt mir ein, dann ein zweiter, ein dritter, und plötzlich beginnt in meinem Kino im Kopf ein Film zu laufen, und ich erlebe die Geschichte. Dann brauche ich eigentlich nur noch zu schreiben, was ich im Kino im Kopf sehe. Na ja, da ist natürlich schon auch noch Ausprobieren und Verwerfen dabei und wieder Sätze wegnehmen und ersetzen durch andere ... Arbeit halt.



Wie bleibt eine Geschichte spannend?



Ich lasse mich immer wieder beim Schreiben einer Geschichte überraschen. So bleibt die Geschichte spannend, und ich habe meinen Spass beim Schreiben. Das ist ein bisschen wie Verstecken spielen mit mir selbst.



Wieso haben Sie ein Buch über Monster geschrieben?



Die Monster tauchen auch einfach eines Tages auf. Gut, als ich meine Geschichte „"Monsterbesuch!" schrieb, da wollte ich eine Monstergeschichte schreiben, weil mich die SchülerInnen in den Lesungen immer wieder fragten, ob ich auch was Gruseliges habe, mit Monstern und so.
In "Die Entführung der Welt“" gerät Lena in eine geheimnisvolle Welt mit seltsamen Kreaturen. Solche Wesen haben wir doch alle in uns drin. Wenn ich schreibe, hoffe ich immer, solchen Wesen zu begegnen und so begegne ich ihnen auch.



Was machen Sie, wenn Ihnen die Ideen ausgehen?



Aufstehen, zum Fenster hinaus sehen, etwas essen und dann weitermachen. Wenn's ganz schlimm wird mit der Fantasielosigkeit, dann tue ich an dem Tag halt was Anderes. Aber oft kommt das zum Glück nicht vor.



Wie lange dauert es, bis ein Buch geschrieben ist?



Unterschiedlich. Eine Geschichte, aus der dann ein Bilderbuch entsteht, kann ich schon mal an einem Tag schreiben. Aber natürlich lese ich die Geschichte nachher noch sehr viele Male durch, auch laut, und überarbeite sie. Mein Roman „"Die Entführung der Welt" hat mich mehr als ein Jahr beschäftigt. Das ist ja auch ein dickes Buch.



Wie gefallen Ihnen Ihre eigenen Bücher?



Gut, denn ich habe ja lange an jedem Buch gearbeitet und war sehr kritisch mit mir. Und die Veröffentlichungsarbeit mit dem Verlag zusammen war jedes Mal spannend.  Und wenn dann noch Bilder dazu kommen, ist das besonders schön. Die Illustratorin oder der Illustrator geben sich immer sehr viel Mühe mit meinen Geschichten und überraschen mich dann mit ihren Einfällen. So sind das zwar meine Geschichten, aber es ist etwas Neues daraus entstanden, ein Bilderbuch.



Welches Buch lesen Sie im Augenblick?



Ehrlich gesagt, keines. Ich habe schlicht keine Zeit vor lauter CDs und Bücher machen. Und meine Lesereisen müssen vorbereitet werden. Und viele Mails müssen jeden Tag geschrieben werden für alle möglichen Leute, die etwas wissen wollen. Und die dicke Zeitung will gelesen werden.

Und natürlich will ich schreiben, schreiben, schreiben..... das sind schon so viele Buchstaben am Tag. Da liegen aber trotzdem immer Bücher auf meinem Nachttisch. Zum Beispiel "Einer" von Christine Nöstlinger.

Worum geht es?



Das Buch fängt an mit dem wunderschönen Satz: "Es war einmal einer, der hatte niemanden und nichts". Einer vagabundiert durch verschiedene Länder, immer der Wärme nach. Er lebt in den Tag hinein, bis er die kugelrunde Frau trifft und bei ihr Heimat findet. Sie bekommen  ein Kind. Doch die Sehnsucht nach Freiheit in ihm ist so groß, dass er wieder losziehen muss.



Was gefällt Ihnen daran, was nicht?



Das Buch macht fröhlich und traurig zugleich. Natürlich gefällt mir nicht, dass Einer einfach wieder weiterzieht, obwohl er jetzt eine Familie hat. Aber so ist das Leben halt: die Sehnsucht nach etwas ist oft stärker als die Vernunft. Die Frau ist traurig, dass Einer, den sie sehr liebt, geht, gleichzeitig sieht sie, dass Einers Fernweh mächtig ist und er nicht anders kann. Wahrscheinlich kommt Einer ja im Frühling wieder.



Wie oft lesen Sie unter der Bettdecke?



Ich muss zum Glück nicht unter der Bettdecke lesen, wenn ich lesen will. Das ist das Schöne am Erwachsensein. Ich darf die ganze Nacht durchlesen, wenn ich will und niemand redet mir rein.


Wo lesen Sie sonst auch gern?

Im Zug lese ich sehr gern.

Welches Buch hat Sie bisher am stärksten beeindruckt und warum?



Ich habe in meinem Leben sehr viele wichtige und gute Bücher gelesen, aus vielen Jahrhunderten, so dass es unmöglich ist, ein einziges Buch hervorzuheben. Als Kind habe ich Enith Blyton-Bücher verschlungen. Gut, ich will hier doch zwei Titel, stellvertretend für viele andere, nennen, die mir großen Eindruck gemacht haben. Da gibt es gleich noch ein Buch von Christine Nöstlinger: "Hugo, das Kind in den besten Jahren". Das Buch  ist ungemein fantasievoll. Christine Nöstlinger hatte von einem Maler Bilder voller verrückter Figuren bekommen, und sie hat daraus eine ziemlich verrückte Geschichte gemacht. Also, zuerst waren die Bilder, dann die Geschichte. Für einmal also war es anders herum. Das Buch gibt es immer noch, doch leider nicht mehr mit diesen tollen Bildern. Da sind jetzt andere drin. Und dann: „"Die letzten Kinder von Scheweborn" von Gudrun Pausewang. Ein Buch, das fast unerträglich eindrücklich schildert, was passiert, wenn nach einem Atomunglück oder Atomkrieg alles verseucht und kaum noch Leben möglich ist. Das Buch macht Angst, ist unglaublich spannend und man ist sehr froh, dass alles so nur im Buch geschieht und dass wir es noch in der Hand haben, eine solche Katastrophe abzuwenden. 



Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?



Aufstehen, nicht allzu früh, wenn ich nicht muss. Ich habe nicht gern, wenn es draussen stockdunkel ist. Dann trinke ich Kaffee im Bett. Lese etwas Zeitung. Und stehe dann auf. Ich gehe in mein Arbeitszimmer und starte den Computer. ich schreibe neue Geschichten. Oder ich hecke neue Lieder aus, denn ich bin auch Sängerin. Dann, gegen Abend, kommt die Büroarbeit an die Reihe mit Telefonaten, Post erledigen, etc, etc. Oder ich reise herum und lese vor Publikum aus meinen Büchern und singe auch. So lerne ich immer viele nette junge und ältere Menschen kennen. Und ab und zu habe ich auch etwas Freizeit. Dann gehe ich ins Kino, oder ich treffe mich mit FreundInnen, und wir essen zusammen und reden.


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